Den Perfektionismus loslassen. Die Vision nicht aufgeben.

 

Ein Bild-Text-Essay aus einem schriftlichen Gespräch zwischen der Schweizer Psychotherapeutin Angelika Wieler und mir über ihre selbstgemachte Website.

Es brauchte einige Zeit, damit die Antworten auf deine Fragen entstehen konnten. Meine Absicht war, dir wirklichkeitsgetreu zu schildern, wie der Entstehungsprozess der Website bei mir verlaufen war, damit nicht der falsche Eindruck entsteht, ich hätte das so schnell schnell auf die Beine gestellt. Es lief bei mir eher nach dem Motto: Gut Ding will Weile haben.

Wir leben ja in einer unheimlich schnellen Zeit. So viel wie möglich zu tun, zu erleben, überall zu sein und mitreden zu können gilt als attraktiv. Vieles – so auch kleine Unternehmen und ihre Websites – entsteht schnell und verschwindet auch bald wieder. Darin liegt natürlich auch die Chance, dass man experimentieren darf, was ich schön finde. 

Mehr Liebe zu uns selbst.

Grundsätzlich finde ich jedoch, dass uns etwas mehr Nachhaltigkeit im Sinne von Langsamkeit, Sorgfalt, Überlegung – sprich Liebe zu uns selbst und allem gut tun würden. Wegkommen von dem Druck, dass alles immer gleich wieder neu und hip und glänzend sein muss. Ich nehme die Sehnsucht danach bei meinen TherapiekundInnen wahr sowie in meinem persönlichen Umfeld und bei mir selbst.

Lass dir Zeit. Geniesse den kreativen Prozess.

Begrüsse auch das Steckenbleiben.

Erzwinge nichts. Sei geduldig, vertraue.

Du wirst wieder in Fluss kommen.


Bei der technischen Umsetzung meines Entwurfes stiess ich gelegentlich an Grenzen. Ich habe mir genügend Zeit genommen, um auszuprobieren und habe nicht gleich aufgegeben, wenn etwas nicht funktionierte, so wie ich es mir vorgestellt hatte. So nach deinem Motto aus dem Online-Kurs: Nicht schneller als du kannst, nicht schöner … Das lag auf meinem Schreibtisch, und ich habe immer wieder darauf geschaut. 

Bei den Bildern musste ich z.B., weil das Format nicht stimmig war, nachdem alles fotografiert war, nochmals die Wollknäuel aus dem Keller heraufholen und sie von neuem im passenden Tageslicht arrangieren. In solchen Momenten war Geduld gefragt. Die Gestaltung der Bildunterschriften war ein ziemlicher Stolperstein. Ich probierte vieles aus, aber nichts war befriedigend. Während des Prozesses gewöhnte ich mich an die „Notlösung“ , doch kurz vor Schluss erhielt ich einen guten Rat von jemandem, und die Lösung war da.

Screenshot von Angelika Wielers Website

Wichtig war, dass ich vieles, was mir nicht oder nicht ganz gefiel, erst mal stehen liess und weiter ging, ohne mich in Details zu verlieren. Ich sagte mir, ich mache jetzt diesen ganzen Durchgang und wechsle auch nicht mehr auf ein anderes Template bis ich durch bin, sondern ich arbeite mit den gegebenen Möglichkeiten.

Also den Perfektionismus loslassen, aber die Vision nicht aufgeben.

Das würde ich gerne als Rat weitergeben.

Weniger Perfektionismus, mehr Vision.

Du sprichst das Thema Mut an und fragst, was mich bestärkt hat. Der Wunsch, etwas Schönes und Funktionelles zu erschaffen, hat mich beflügelt.

Lichtblicke

Für mich war neben den Mittwochs-Onlinefragestunden eine Freundin, die gleich gegenüber wohnt und Zeit hatte, hin und wieder bei mir reinzuschauen, eine tolle Unterstützung. Sie fand, ich solle die Website auf jeden Fall selbst erstellen. „Gib dein Baby nicht aus der Hand“.

Und wenn mein Fokus auf Fehlendem, Unvollkommenem lag, sah sie, was schon gut war, sodass meine Perspektive sich änderte. „Deine Website steht ja schon!“ war auch so eine ermutigende Aussage von ihr, als mich mal die Zweifel eingeholt hatten. Dann war da aber auch jemand in meinem Umfeld, der sehr genau und kritisch hinschaut und der ein paar gute Ideen hatte, die mich inspirierten. Das war eine tolle Hilfe, weil mir einiges wegen „Betriebsblindheit“ nicht mehr aufgefallen war.

Mein diesbezüglicher Rat an andere, die an ihrer Website sitzen:

  • Das halbvolle Glas sehen anstatt das halbleere.
  • Sich sagen: Wow, das und das habe ich schon hingekriegt, also werde ich weitere Hürden überwinden können.
  • Nicht zu viele Menschen einbeziehen in den Entstehungsprozess und vorher gut überlegen, welche Personen sich eignen.

Wow!


 

Ich wünschte mir, etwas eigenes zu erschaffen.

Etwas, was es noch nicht gibt.

Ich wollte keine Bilder im Stil von Wasser mit konzentrischen Kreisen oder andere beschauliche Naturbilder. Die Website sollte meine Arbeit und mich als Person authentisch wiedergeben. Sie sollte einfach, ruhig, funktionell und schön sein.

Die Authentizität war mir wichtig, weil etwas eigenes zu erschaffen in verschiedenen Bereichen mir Lebensfreude gibt. Auch denke ich, dass die Menschen, die sich für eine Psychotherapie oder Beratung interessieren, schon bei einem Blick in die Website intuitiv spüren, ob aus der Zusammenarbeit zwischen uns etwas Gutes entstehen kann, und dass durch die Authentizität auch die passenden Menschen zu mir finden.

Pfeil

Ideen für den Moment, wenn jemand beim Entstehungsprozess das Gefühl hat, es wird nicht so richtig meins:

Was spricht mich bei anderen Websites an, was nicht – Hab ich es gerne quirlig oder eher ruhig? Habe ich meine Lieblingsfarben einbezogen in die Gestaltung?

Schnipsel

Brauche ich klare Strukturen oder darf es etwas drunter und drüber gehen?

Wie unterscheidet sich mein Angebot, meine Art und Weise des Arbeitens von anderen, die in einem ähnlichen Bereich tätig sind und was ist das Gemeinsame?

Beim Individuellen, was eine Person und ihr Angebot ausmachen, lohnt es sich auf jeden Fall, sich genug Zeit zu nehmen, um darüber nachzudenken und dies aufzuschreiben. Vielleicht auch mit jemandem darüber sprechen, wenn das zusätzliche Klarheit bringen kann.


Das Bild auf der Kontaktseite meiner Website zeigt einen Teil der Babydecke, die ich für mein Grosskind gestrickt hatte. Das Kind war noch in Mama’s Bauch, als ich am Webauftritt arbeitete. Die Decke lag indessen auf dem Sofa in meiner Praxis, wartete mit mir auf den Neuankömmling und inspirierte mich für die Bildreihe.

Screenshot von Angelika Wielers Website

In die Decke eingewoben sind neben der Vorfreude auch Geschichten, die nicht ganz einfach waren, und so war ich beim Zusammenstellen der Farben, beim Stricken und Häkeln aufgefordert, gemeinsam mit der Decke zu wachsen und zu reifen.

Da sehe ich einen Zusammenhang mit meinem beruflichen Thema, der Psychotherapie, in der es ja auch um wachsen und reifen geht und um einen kreativen Prozess.

Wachsen und reifen.

Ausserdem hat die Idee mit dem Lebensteppich, so wie ich sie bildnerisch und textlich gestaltet habe, ganz viel zu tun mit meinem eigenen Leben, mit der Geschichte und der Gegenwart. Ich würde sagen: Sie ist Teil meines persönlichen Lebensgewebes, wobei wir wieder beim Thema Authentizität gelandet wären. Es ist nämlich so, dass ich mit Textilien, mit Wolle, mit Farben, mit Kreieren, mit Entwerfen und Experimentieren aufgewachsen bin, neben dem Familienbetrieb meiner Eltern und meines Onkels.

Die Wollknäuel, die man auf einem der Bilder meiner Website sieht, stammen noch aus jener Zeit und sind für mich eine lebendige Erinnerung an meine Eltern und an meine Kindheit und Jugend. Die Decke ist ebenfalls aus dieser geschichtsträchtigen Wolle gestrickt.

Oder die kardierte Wolle, die auf der Angebotsseite der Website zu sehen ist, hat mir eine Freundin mal geschenkt. Sie liegt als Farbtupfer in einer Schachtel auf dem Tisch in der Praxis und brachte mich mit auf den Weg für das Bildkonzept. Das Bild mit den losen, nicht zusammengehäkelten Quadraten für die Babydecke war zufällig noch in meiner Fotosammlung vorhanden und fügte sich perfekt ein.

Da haben sich Idee und Raum gefunden.

So ergab sich wie durch Magie eins nach dem anderen, und alles passte ineinander. Dies gab mir die Gewissheit, auf dem richtigen Weg zu sein mit meinem Konzept.

Der Entwurf ging mir fliessend leicht von der Hand, begleitet von einem Gefühl der Freude und Begeisterung – das Gegenteil von Schwerarbeit. Das machte und macht mich dankbar.

Die Bilder habe ich selbst mit der Handykamera aufgenommen. Es war einfach und gelang gut. Die technische Umsetzung des Konzeptes – Zuschneiden, Bilder komprimieren, Bildtexte platzieren – das war dann doch eher Knochenarbeit für mich. Ausdauer und Geduld waren gefragt und, wie bereits erwähnt, das Loslassen aller Perfektionsansprüche.


Als ich auf Squarespace stiess, wusste ich gleich, dass es das ist, weil mich die Designs begeisterten, weil es hiess, man könne intuitiv damit arbeiten und auch, weil Squarespace bei uns noch nicht so verbreitet ist wie z.B. Jimdo.

Dann fand ich dein Angebot. Ich hatte allerdings Bedenken, ob ich in der Lage sein würde, meinen Entwurf mit Hilfe eines Onlinekurses technisch umzusetzen. Meine Befürchtung war, dass ich heillos überfordert sein, dass ich viel vergebliche Energie investieren würde in etwas, was am Ende vielleicht selbstgebastelt, sprich unprofessionell wirken könnte. Die Beispiele, die ich auf deiner Website sah, waren ziemlich anders als mein eigener Entwurf. Also einige Zweifel.

Ich erwog dann, meinen Entwurf zum Ausarbeiten und Umsetzen einer Webdesignerin zu übergeben oder mich von einer Fachperson coachen zu lassen. Ich hätte aber eine längere Wartezeit in Kauf nehmen müssen und finanziell wäre das ganze eine ziemlich grosse Investition für mich gewesen.

Pfeil

Schliesslich entschloss ich mich dafür, es mit deinem Angebot zu probieren. Dafür sprachen folgende Überlegungen:

  • Ich möchte mein „Baby“ nicht aus der Hand geben. Damit meine ich: Wenn ich eine gute Webdesignerin beauftrage, meinen Entwurf umzusetzen, trägt die Website schlussendlich ihre und nicht meine Handschrift. Ich weiss, dass ich mich verunsichern lassen kann, wenn jemand seinen Standpunkt überzeugend vertritt, schnell ist, und ich mich in einem Gebiet nicht gut auskenne. Dann spüre ich oft erst mit Zeitverzögerung, was wirklich meins ist, und das könnte zu einem zeit- und energieaufwändigen Hin und Her kommen und zu schlaflosen Nächten. Also besser selbst probieren.
  • Ich will mich dieser Herausforderung stellen und traue mir zu, dass ich’s hinkriege.
  • Ich habe nichts zu verlieren als das Kursgeld, ein Bruchteil der Kosten, die ich für das externe Erstellen einer Website auszugeben hätte.
  • Ich kann gleich loslegen.
  • Und das letzte Argument für deinen Onlinekurs: Wenn ich die Website nicht selbst erstelle, werde ich immer nur zögerlich und ängstlich Änderungen in eigener Regie vornehmen, weil ich ja das System nicht von Grund auf kenne. Sprich, es entstehen unerwünschte Abhängigkeiten von anderen Personen und mir fehlt die Beweglichkeit, die ich mir wünsche.

Mich hat es inspiriert, mich erneut mit dem Thema Webauftritt auseinanderzusetzen und dazu zu schreiben. Die Beziehung zu meiner Website hat sich dadurch vertieft und neu belebt wie in einer Freundschaft, wenn man sich Zeit nimmt füreinander. Schön, oder? Danke, dass du mich dahin gebracht hast durch deine Fragen.

(Und ich sage: Danke, Angelika, danke für deine unglaublich schöne, zarte, tiefe Auseinanderstzung mit diesen Themen.)

Lass dir Zeit.

Text von Angelika Wieler, Illustration und Umsetzung Ricarda Kiel.



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